1490 - 1547
In Übersetzungen von
Bertha Arndts
Aus dem Anhang
der letzten Italienischen Ausgabe
I. An Veronica Gambara
Der Himmel neu will uns’re
Tage zieren
Mit altem Ruhm, da dem Verfall
gesteckt
Er endlich Ziel, und er bei
uns erweckt
Erhab’nen Geist, um uns zum
Sieg zu führen:
Dich, mein’ ich, hohe Frau,
Dir muß gebühren
Ein Ruhm, den die Geschichte
einst bezeugt,
Vor Dir, was Schönes ist, sich
willig neigt,
Den innern Werth kann Zeit Dir
nicht berühren.
Durch Dich sich eingeweihte
Tempel bauen,
Papier wird Marmor, und die
Dinte Gold,
Weil Wahrheit zwingt sie, ewig
dich zu loben.
Ob Tod zuerst die Hand nach
Dir gehoben,
Dann Zeit mit tück’schem Zahn
geschäftig grollt,
Auf Deines Ruhmes Schatz Du
darfst vertrauen.
II.
Was ich an Leben in den Sinnen
spürte,
Ein Tag mit meiner Sonne hat’s
genommen,
Wie sie dem Leid, dem Wahne
ich entnommen
Mein bess’res ich sie ihrem
Dienst entführte;
Mir, mich bedünkt’s, von
ird’scher Frucht gebürte
Ein Sprosse kaum; selbst
Laubeszier benommen
Der Seele ist, weil innen
eingenommen
Zu äüßrem Reiz kein Trieb
hinaus sie führte.
Denn aus dem Sterben blühte
neu im Leben,
Da er lebendig mich dem Tod
verwiesen,
Er nahm mich mir, daß ich ihm
dort gegeben.
Und wie mein Dasein ernst und
trüb verrinnet,
Sieht er, wie mich die Fesseln
hart umschließen:
Sein Geist, ich fühl’s, durch
mich noch Glanz gewinnet.
III.
Gleichwie des großen Fixsterns
brennend Glühen
Das Eis zerschmilzt, wie von
der Windsbraut Wehen
Gewölk, so eitel Sinnen muß
zergehen,
Vor meiner Sonne Leuchten muß
es fliehen!
Denn findet der Gebieter seine
Räume,
Das Herz, bewohnt mir von
unwürdigen Trieben:
Sein siegend Licht so reinigt
Geist und Lieben
Daß nicht’ge Sorgen ziehn und
leere Träume.
Was erst geschieht, ist’s also
schon auf Erden,
Wenn diese schwere Hülle mir
gehoben,
Daß so viel Glanz nicht ferner
mehr mich blende?
Eins nur ich fürchte: ob ich
wenden werde,
Seh’ ich mein Licht, mich
weiter noch nach oben
Zum Lichtesquell, daß er sich
ganz mir spende.
IV.
Beraubt der Sonne mein, ich
ring’ in Schmerzen
In bittern Tränen stets;
einsame Trauer
Deckt Tag’ und Stunden mir, und
tief’re Schauer
Bringt lange Nacht dem schwer
gepressten Herzen.
Ob auch im Traume sänftigt
mein Verlangen
Der, dem die Liebe Macht dazu
gegeben,
Schon wär’ ich todt, wollt’
wehrlos sich ergeben
Das Herz der Fessel ganz und
ohne Bangen.
Nichts mehr als weinen diese
Augen können,
Und eig’ne Gluth nur mag die
Seele stillen:
Wohl weiß es Der, der Herr ihr
ist und Meister!
Ja glücklich sind, die mit der
Kindheit Hüllen
In ew’gen Schlaf gewiegt,
fürwahr! zu nennen,
Weil langes Sterben hier das
Los der Geister!
V.
Einsam auf ödem Felsen hier
ich lebe,
Dem siechen Vogel gleich, der
flieht das Grün,
Den frischen Quell; möcht’
denen mich entzieh’n,
Die in der Welt ich lieb’; vor
ihr ich bebe!
Zur Sonne trägt, in der ich
athm’ und webe,
Mich der Gedanke stets! Reicht
auch nicht hin
Der Flügel Kraft für seiner
Sehnsucht Glühn,
mit Macht ich ihm nicht andre
Richtung gebe.
Ist er entzückt auf
heimathlichem Fluge,
Ich laß’ ihn gern, denn ach,
die kurze Freude
Weit übersteigt sie jede Lust
hienieden!
Vermöcht’ ich ganz mit
unbeschränktem Zuge
Ihr Form zu geben, meiner
Augenweide:
Mir wär’ vollkommnes Gut schon
hier beschieden.
VI.
Harmonisch lebten, Herr, in
deiner Brust
Die schönsten Tugenden in
vollen Blüthen,
Da friedlich sie in heil’gem
Bund erglühten,
Der keines Widersachers sich
bewußt;
Und jede fand im Eifer ihre
Lust,
Zu großem Zweck die gleiche
Kraft zu bieten,
Auf daß in heller Glorie dort
erblühten
Die Früchte ihrer Saaten ohn’
Verlust.
Betrübt sie irren, dünkt
mioch, nun umher,
Mit bittrem Schmerz Verbannung
sie beweinen.
Da Stätte finden hier sie
nimmermehr:
D’rum ihre Thränen ewig sind;
sie sehen,
Daß das Geschick noch einmal
nicht vereinen
In einem Herzen wird, was
stammt aus Himmelshöhen.
VII.
Bei so viel Ehren, die
emporgetragen
Mit süßem Troste Dich, mein
Licht, das Eine
Dir bitter war, daß Absicht
oft, die reine,
Allein Dir g’nügen mußt’, wo’s
galt zu wagen.
Nun will der schöne Plan auf’s
Neue tagen,
Den Du gefaßt, da strahlet im
Vereine
Die Waffe und die Ehre wie die
Deine
Dem Heldenarm des Bruders
übertragen.
Geschmückt er ist mit Preis
und jeder Tugend,
Und mit dem Licht, das Deine
Siege sprüh’n,
Nie sah sein Glück umsonst das
Schwert ihn zieh’n;
Umkleidet hat sein Ruhm mit
ew’ger Tugend
Den
Arno, Sebeto, Etsch, Po, Tessin;
Ihm reicher wird er an der
Donau blüh’n.
* Bezieht sich vermutlich auf den Marchese del Vasto
VIII.
Oft meine Sonne sah ich sich
bedecken
Mit starker Tugend vor den
Mißgeschicken
Gleichwie mit einem Schild, um
frei von Blicken
Der argen Welt sich höh’res
Ziel zu stecken.
Dem Neide stehn, sich nicht
vor ihm verstecken
Wollt’ hohes Ehrgefühl, fern
allen Tücken;
Wo droht’ Gefahr, leicht
konnt’ ein Zug mißglücken,
Vergaß sie sich, nicht kennend
Furcht noch Schrecken.
Doch nahm mein Unstern mir den
Trost zu sehen,
Wie sie in heil’gem Zorn zu
Paaren triebe
Das stolze Volk sich wider
Gott empörend!
Ob schwer die Last, wohl
würdig wär’ der Liebe,
Des Ruhms der Seele sie, die
ausersehen
Für Gottes Zwecke schien, ihm
angehörend.
IX.
Wie prächt’ge Flamme
ungezügelt läuft,
Mit Allgewalt bald Alles rings
verzehret,
Daß man vergeblich löschet ihr
und wehret,
Die Wohltat nun mit Schrecken
uns ergreift;
So auch die Gluth, die
heil’ge, wühlt und greift
Jetzt unheilvoll in’s Herz,
das sie verehret,
Mit all den Thränen ihre Macht
es kehret
Stets gegen sich, vom Jammer
überhäuft.
Zum Nachtheil wandeln so nicht
bloß sich Thränen:
Wollt’ die Gedanken frei ich
je bewegen,
Weiß Lieb’ in ihre Fesseln sie
zu legen.
Und wie ein Kranker aufgiebt Muth
und Sehnen,
Weil mangeln ihm die Kräfte,
sich zu laben,
So muß mein Gram Gesundheit
untergraben.
X.
Mein Sinn, gewöhnt an’s Licht,
das milde pflegt
Mein inn’res Aug’ zu klätren,
zu erhellen,
Sofort, will Fremdes sich ihm
beigesellen,
Des leisesten Gedankens sich
entschlägt:
Gleich jungem Aar, den nicht
sein Fittig trägt
Auf, seinem Vater nach, zu
Lichtes-Quellen,
Da nicht den kern der Gluth
erträgt, den grellen,
Als Sohn erkannt nicht wird
und nicht gehegt.
D’rum von der selt’nen Frau
nicht kann ich singen,
Die hat besiegt auf wunderbare
Art
Des Himmels Zorn und
stürm’scher Zeiten Wogen;
Doch And’re sagen, wie sie arm
erzogen
Die Ehre ihrer Herrscher hat
gewahrt,
Um ihren Kronen neuen Glanz zu
bringen.
XI.
Trifft mich Geschick mit immer
neuen Schlägen:
Übt neue Macht das alte Leid
am Herzen,
Der Quell so stark, so
überreich an Schmerzen,
Wohl kann er allzeit neue
Fluth erregen!
Und mag sich schmeichelnd an
die Brust mir legen
Sirenensang in Seufzern statt
in Scherzen:
Als einz’ge Lust hat das noch
auszumerzen,
Zu geben nur die Welt, auf
düstern Wegen.
Wie Gift, das allen Andern ist
verderblich,
Für jenen Nahrung wird, dem es
zur Speise
Von Kindheit an gereicht, so
gleicher Weise
Nährt mich der Schmerz, der
mir seit Jahren erblich,
Und sänftiget mein Herz, auf
daß er bilde
Die Schutzwehr meinem Weh mit
seinem Schilde.
XII.
Glückselger Traum, o
segensreiche Hand!
Die mir das Herz von jedem
Druck befreit,
Die zweifelnd Hoffen, sichern
Wahn zerstreut,
Mich g’raden Weg’s geführt
in’s rechte Land,
In einer Stunde hat vom Geist
verbannt
Scheinbilder einer
inhaltschweren Zeit,
Daß nun dem Gram, der süßen
Bitterkeit
Die Frucht der Reue mir zum
Heil erstand.
Nie hat Gewölk mit solcher
Macht zerrissen
Des Sturmes Wucht, als der
gebannte Wille
Dem Siege der Vernunft sich
gern ergeben.
Der schuf die Himmel, hat
erneut mein Leben,
Dem Flehn geöffnet solche
Gnadenfülle,
Daß jauchz’ und beb’ ich ob
den Finsternissen.